|
 |
Kinder lieben die Natur - und sie
brauchen sie.
Wer durch die Felder des ländlichen
Berliner Bezirks wandert,begegnet nicht nur fast keinen Schmetterlingen
mehr. Er trifft auch kaum ein Kind. Anders als noch in den 1970er
Jahren scheinen Kinder, die Abenteuer unter freiem Himmel erleben,
die sich schmutzig machen, sich Kratzer holen, eine aussterbende
Spezies zu sein. Eine Fülle von Studien bestätigt, was
Stadtmenschen wissen, vielleicht ohne es sich bewusst zu machen:
Der Aktionsradius der gegenwärtigen Kindergeneration verlagert
sich zunehmend auf das Hausinnere.Das Gebiet, in dem sie auf eigene
Faust umherstreifen dürfen, hat sich in drei Jahrzehnten so
drastisch verkleinert, als lauerten Heckenschützen hinter jedem
Müllcontainer. Vor allem kommen Kinder immer seltener in Kontakt
mit der Natur. Eine schleichende Indoor-Krankheit scheint unseren
Nachwuchs befallen zu haben, und sie steckt auch jene an, die wie
Max und Emma hektarweise Freiraum zur Verfügung haben: Felder
zum Drachensteigen.Gräben zum Fröschefangen. Seen zum
Angeln. Bäume zum Klettern. Bombentrichter im Wald, kurz: eine
Welt, wie sie Tom Sawyer erlebte. Und der Abschied der Kinder von
der Natur ist nicht folgenlos. Denn mit dem Schwinden des ungezügelten
Spiels im Freien droht etwas Unersetzliches verloren zu gehen: die
Möglichkeit, seelische, körperliche und geistige Potenziale
so zu entfalten, dass Kinder zu erfüllten Menschen werden
.
|
 |
Natur ist ein elementares menschliches
Bedürfnis
Romantik? Nein, ein Befund der Gehirnforschung, zum Beispiel. Ihr
Erkenntnisstand: Die Gegenwart der Natur, das Spiel in ihr sind
relevant für die Befriedigung der emotionalen, aber auch der
kognitiven Bedürfnisse heranwachsender Menschen. Wird ihnen
die Freiheit verwehrt, unkontrolliert von Erwachsenen in einer von
selbst gewordenen - nicht einer künstlich gefertigten - Welt
Erfahrungen zu machen, können Kinder zentrale Fertigkeiten
nur sehr schwer entfalten. Ohne die Nähe zu Pflanzen und Tieren
verkümmert ihre emotionale Bindungsfähigkeit, schwinden
Empathie, Fantasie, Kreativität und Lebensfreude.Es ist auch
die Sorge der Eltern, die Spielräume verengt. Wie dramatisch
das Recht von Kindern gezügelt worden ist, in Freiheit herumzustreifen,
zeigt das zufällig untersuchte Beispiel einer Familie im britischen
Sheffield. Der Urgroßvater war in den 1920er Jahren im Alter
von acht Jahren zehn Kilometer zu seiner Lieblingsangelstelle marschiert.
Sein Schwiegersohn durfte nach dem Krieg, gleichermaßen achtjährig,
durch den anderthalb Kilometer entfernten Wald streifen. Auch zur
Schule ging er allein. Dessen Tochter stand es in den 1970er Jahren
immerhin frei, mit dem Rad durch die Nachbarschaft zum Schwimmen
zu fahren. Ihr eigener Sohn jedoch, ebenfalls acht, darf sich allein
nur bis ans Ende der Straße bewegen - und wird mit dem Auto
zur Schule kutschiert.
|
 |
|
| |